Über autoritäre Identitätspolitik

Identitätspolitik kann als wichtiger Baustein in dem sichtbar machen von verschiedenen Lebensrealitäten verstanden werden. Identitätspolitik kann jedoch auch genutzt werden, um die eigene Meinungen autoritär in Diskussionen durchzudrücken.

Deshalb ist es wichtig festzuhalten, dass …

  • keine einzige Identitätsgruppe eine einheitliche politische Sichtweise oder eine einheitliche Perspektive auf ein Thema hat/haben kann.

Daraus ergibt sich für uns die Forderung, dass niemand aufgrund einer Diskriminierung und der daraus konstruierten Identitätszugehörigkeit legitime Autoritätsansprüche ableiten sollte. Autoritäts- und Machtansprüche sollten wir als Linke immer zurückweisen und kritisch hinterfragen, auch oder gerade wenn es in den Worten von “Betroffenheit” (von der abstrakten Diskriminierung z.B. als Teil der LGBTQIA+ Community, nicht gemeint im Sinne von der Betroffenheit einer konkreten diskriminierenden Situation) oder Co-Betroffenheit daherkommt.

Identitätszugehörigkeit kann niemals die wirkliche Auseinandersetzung und Bearbeitung eines Themas ersetzen und sollte nie als Garant für Wahrheit verstanden werden. Zu glauben, die eigene Zugehörigkeit einer marginalisierten Gruppe macht eine:n zur Expert:in in dem Bereich, ist vermessen: Niemand kann behaupten für alle Menschen zu sprechen, die gerade zufällig zu der eigenen Identitätsgruppe gehören. Identitätszugehörigkeit darf niemals autoritär dazu benutzt werden, um ideologische Meinungsverschiedenheiten, Diskussionen und verschiedene politische Ansätze zu beenden. Diese Form von Identitätspolitik zu kritisieren meint nicht, Lebensrealitäten zu ignorieren, die in unserer weißen cis-Mehrheitsgesellschaft bedroht sind. Es kritisiert vielmehr das Unsichtbarmachen verschiedener Meinungen auch innerhalb einer Gruppe. Wir müssen einen gemeinsamen Diskurs miteinander ermöglichen – auch, um eine gemeinsame kritische Sprache zu entwickeln. Mit Identitätspolitik autoritär Andersdenkende zum Schweigen zu bringen, bringt uns keinen Schritt weiter in der Suche nach einem emanzipatorischen Miteinander.