Konsens als wichtige feministische Errungenschaft (außer für Sexarbeiter*innen)
„Nur Ja heißt Ja“ – ein gängiger Spruch in feministischen Debatten zum Thema Konsens und sexualisierte Gewalt. In feministischen Räumen ist diese Aussage nicht kontrovers und sollte sie auch nicht sein. Sexueller Konsens meint Einvernehmlichkeit, bedarf beiderseitig einer dauerhaften Lust am Geschehen und muss jederzeit ohne Druck widerrufbar sein. Soweit so unkritisch.
Wenn wir sexuellen Konsens auf Sexarbeit übertragen, fällt auf, dass manche Feminist*innen nicht die gleichen Ansprüche an die Tätigkeit von Sexarbeiter*innen erheben.
Wieso? Weil Geld sexuellen Konsens überlagert, Konsens also am Ende käuflich ist? Prostituierte keinen „richtigen“ Sex haben? Oder es in der Sexarbeit als Ausnahme mal okay ist, ohne Konsens Sex zu haben? Egal wie, die möglichen Antworten darauf überzeugen nicht.
Was ist also Prostitution, wenn Konsens nicht käuflich ist?
Ein Blick in die Realität: Obwohl wir uns dafür einsetzen, dass Konsens gängige Praxis wird und „Nein“-Sagen nicht unsexy ist, erleben wir doch trotzdem immer wieder, wie wir oder andere über unsere Grenzen gehen. Es sind kleine, nicht abgesprochenen Handlungen, keine Vergewaltigungen, aber dennoch Grenzüberschreitungen. Ja, Konsens ist sexy, und dennoch schaffen selbst wir es nicht, diesen jedes Mal aufs Neue einzufordern. Wieso wird also so selbstverständlich davon ausgegangen, dass sowohl Sexarbeiter*in als auch Kunde Konsens praktizieren? Wir bezweifeln stark, dass Konsens, wie er im Rahmen sexueller Dienstleistungen praktiziert wird, den feministischen Ansprüchen genügt.
Freier können sich eigentlich nie sicher sein, dass die Person, von der sie sexuelle Dienstleistungen gekauft haben, diese auch wirklich leisten möchte. Sie gehen davon aus, dass durch den Vertrag zwischen Sexarbeiter*in und Kunde (Geld gegen Sex) der Konsens beschlossen wurde. Es ist dabei fahrlässig, die ökonomischen Zwänge, in denen sich Sexarbeiter*innen und Prostituierte befinden, auszublenden, weil die sexuelle Handlung am Ende nichts anderes als Miete und Lebensunterhalt bedeutet. Zahlreiche Sexarbeiter*innen berichten davon, „Ja“ gesagt zu haben, obwohl sie keinen Sex haben wollten. Sie berichten davon, dass die Männer nett zu ihnen waren und es sich für sie trotzdem wie eine Vergewaltigung angefühlt hat. Freier müssen davon ausgehen, dass ein „Ja“ zum Sex oft eher ein „Ja“ für die Miete ist. Es ist somit kein konsensualer Sex, da eine der Beteiligten keine Lust auf den Sex hat. Freier nehmen das in Kauf. Konkreter: Sie nehmen die Vergewaltigung von Sexarbeiter*innen in Kauf.